Fragen
As-salāmu ʿalaikum wa raḥmatullāh, unser ehrwürdiger amīr. Möge Allah dir würdevolle Macht verleihen und den Sieg für diese Umma durch deine Hände bescheren.
Wenn du mir erlaubst, habe ich zwei Fragen:
Erstens: In deiner Antwort an den Bruder, der nach den Aktien fragte, führtest du aus: Beauftragtest du deine nichtmuslimische Mutter mit dem Verkauf der Aktien, nachdem eine gewisse Zeitspanne seit deiner Kenntnis von deren Verbot vergangen war, so musst du deine Aktiengewinne aus dieser Zeit loswerden, indem du sie für ein gemeinschaftliches Interesse der Muslime ausgibst. Was ist der Beleg dafür, dass er sie für ein gemeinschaftliches Interesse der Muslime ausgeben muss, wo er doch islamrechtlich gar nicht der Eigentümer dieses Vermögens ist? Wie ist es ihm dann gestattet, Rechtshandlungen damit durchzuführen?
Zweite Frage: Ich arbeite im Bereich Gemüsehandel als Straßenverkäufer. Ich kaufe die Ware auf einem Markt, der ca. vierzig Kilometer von mir entfernt liegt. Manchmal finde ich Mängel in der Ware… Nun ist es gängige Praxis, dass der Besitzer des Kommissionsgeschäfts, also der dallāl, wegen dieser Mängel einen Teil vom Warenpreis abzieht. Würde ich die Ware am selben Tag zurückbringen, dann würden die Transportkosten vielleicht mehr ausmachen als die Ware selbst. Ist es uns nun verboten, diesen Abzug bzw. diese Preisreduktion, die wir verlangen, anzunehmen?
Antworten:
Wa ʿalaikum as-salām wa raḥmatullāhi wa barakātuh!
Erstens: Die Antwort auf die erste Frage bezüglich der Entsorgung von Unrechtsvermögen:
1. Es scheint, dass ein Missverständnis bei dir vorliegt. So hast du angenommen, dass unsere Aussage Die Gewinne aus den Aktien in diesen fünf Monaten musst du loswerden, indem du sie im Interesse des Islams und der Muslime ausgibst. eine Almosengabe bedeutet. D. h., dass die Person einen Lohn dafür bekommt, dass sie die Gewinne im Interesse der Muslime ausgegeben hat. Dies ist aber nicht der Fall, da wir gesagt haben, dass er sie „loswerden“ soll. Vergleichbar ist es mit der Situation, wenn sich in deinem Haus überschüssige Dinge befinden, die du gerne loswerden möchtest. Zweifellos wirst du sie nehmen und an einen passenden Ort bringen und sie nicht etwa auf die Straße werfen, um dann zu behaupten, sie losgeworden zu sein. Vielmehr wirst du sie an einen passenden Ort bringen, der dafür vorgesehen ist. Das bedeutet, dass du einen Ort auswählen wirst, an dem solche Dinge entsorgt werden, ohne dass jemand dadurch zu Schaden kommt. Du wirst also den besten und passendsten Aufbewahrungsort für diese überschüssigen Dinge suchen, nicht wahr? Es wäre undenkbar, sie mitten auf eine öffentliche Straße zu werfen und den Menschen damit Ungemach zu bescheren.
Deswegen haben wir gesagt, er solle sie loswerden und sie im Interesse der Muslime ausgeben. Er soll das Geld also nicht nehmen und z. B. auf die Straße oder in die Mülltonne werfen. Vielmehr soll er es, mein Bruder Yūsuf, entsorgen, indem er es an die beste und passendste Stelle setzt. Es ist aber kein Almosen (ṣadaqa), für das er belohnt wird. So wird bei Aḥmad in geschlossener Kette von ʿAbdullāh ibn Masʿūd berichtet, der sagte: Es sprach der Gesandte Allahs (s):
«...وَالذي نفسي بيده...لَا يَكْسِبُ عَبْدٌ مَالًا مِنْ حَرَامٍ، فَيُنْفِقَ مِنْهُ فَيُبَارَكَ لَهُ فِيهِ، وَلَا يَتَصَدَّقُ بِهِ فَيُقْبَلَ مِنْهُ، وَلَا يَتْرُكُ خَلْفَ ظَهْرِهِ إِلَّا كَانَ زَادَهُ إِلَى النَّارِ، إِنَّ اللَّهَ عَزَّ وَجَلَّ لَا يَمْحُو السَّيِّئَ بِالسَّيِّئِ، وَلَكِنْ يَمْحُو السَّيِّئَ بِالْحَسَنِ، إِنَّ الْخَبِيثَ لَا يَمْحُو الْخَبِيثَ»
(...) Bei Dem, in Dessen Hand meine Seele liegt! Keinem Diener, der Unrechtsvermögen erwirbt und davon ausgibt, wird es zum Segen gedeihen. Auch wenn er es als Almosen entrichtet, wird es nicht von ihm angenommen. Lässt er es zurück, wird es sein Proviant zum Höllenfeuer sein. Allah, der Erhabene und Gewaltige, tilgt das Schlechte nicht mit Schlechtem. Das Schlechte tilgt Er vielmehr mit Gutem. Wahrlich, das Schandhafte tilgt das Schandhafte nicht.
2. Zur Information: Bei manchen Gelehrten wird klar erwähnt, dass man Unrechtsvermögen für islamrechtliche Ausgabenbereiche aufwenden soll. Sie belegen dies mit dem folgenden Bericht, der von ʿĀṣim ibn Kulaib über seinen Vater von einem Mann der anṣār tradiert wird, der sagte:
«خرجنا مع رسول الله e في جنازة، فرأيت رسول الله ، وهو على القبر يوصي الحافر: أوسع من قبل رجليه، أوسع من قبل رأسه، فلما رجع استقبله داعي امرأة، فجاء وجيء بالطعام، فوضع يده، ثم وضع القوم، فأكلوا، فنظر آباؤنا رسول الله e يلوك لقمة في فيه، ثم قال: إني أجد لحم شاة أخذت بغير إذن أهلها، فأرسلت المرأة: يا رسول الله، إني أرسلت إلى البقيع ليشتري لي شاة، فلم أجد، فأرسلت إلى جار لي - قد اشترى شاة - أَنْ أَرْسِلْ إِلَيَّ بثمنها، فلم يوجد، فأرسلت إلى امرأته، فأرسلت بها إلي، فقال عليه الصلاة والسلام: أطعميه الأسارى... »
Wir nahmen mit dem Gesandten Allahs (s) an einem Begräbnis teil und ich sah, wie der Gesandte Allahs (s) am Grab dem Totengräber Folgendes ans Herz legte: „Weite das Grab an seinen Füßen aus, weite es an seinem Kopf aus!“ Als er zurückkam, wurde er vom Boten einer Frau empfangen, der ihn einlud. Er kam, und Essen wurde gebracht. Er langte mit seiner Hand hinein und die Leute taten es ihm gleich. Man aß. Unsere Väter sahen, wie der Gesandte Allahs (s) an einem Happen kaute und sprach:„Ich schmecke das Fleisch eines Lammes, das ohne die Erlaubnis seiner Besitzer genommen wurde.“ Die Frau übermittelte folgende Nachricht:„O Gesandter Allahs (s)! Ich schickte meinen Diener nach Baqīʿ, um mir ein Lamm zu kaufen, doch fand er keines. So schickte ich eine Botschaft an einen Nachbarn von mir - er hatte ein Lamm gekauft -, dass er es um denselben Preis zu mir schicken solle. Doch war er nicht zugegen. So schickte ich nach seiner Frau, und diese ließ das Lamm zu mir bringen.“ Da sprach der Gesandte Allahs (s): „Verteile es an die Gefangenen! (...)“
Bei anderen Gelehrten wird der Mündungsrahmen noch allgemeiner gehalten als der Begriff „Gemeinschaftsinteressen der Muslime“. So sagen sie, es solle generell für die Ausgabenbereiche freiwilliger Gaben (ṣadaqat at-taṭauwuʿ) aufgewendet werden, wie z. B. als Almosengabe an Arme oder für den Bau von Moscheen, da dies zu den allgemeinen Ausgabenbereichen von Almosen zählt. Dies ist die Meinung Abū Ḥanīfas, wie es im Randkommentar ibn ʿĀbidīns (3/223) erwähnt wird, und die der Malikiten, wie es die Koranexegese al-Qurṭubīs „al-Ğāmiʿ li aḥkām al-Qurʾān“ (3/366) ausführt.
Manche Gelehrte meinen, man solle es „auf dem Wege Allahs“ ausgeben, d. h., für den ğihād. Dies ist eine der Meinungen von Scheich al-Islam ibn Taimīya. So sagt er in seiner Fatwa-Sammlung (28/401): Wenn einer Person unredliches Vermögen in die Hände fällt und eine Rückgabe an die Eigentümer nicht möglich ist, da sie z. B. unbekannt sind, so soll es auf dem Wege Allahs ausgegeben werden. Dies wäre sein Ausgabenbereich. Wer nämlich viele Sünden hat, so ist der ğihād die beste Heilung dafür. Und wer Unrechtsvermögen loswerden und bereuen möchte, es aber nicht an die Eigentümer zurückgeben kann, dann soll er es stellvertretend für sie auf dem Wege Allahs ausgeben. Im Hinblick auf den großen Lohn, der mit dem ğihād verbunden ist, stellt dies eine schöne Art dar, sich dessen zu entledigen. Es existieren noch andere Aussagen dazu.
Zweitens: Die Antwort auf deine zweite Frage, nämlich deine Tätigkeit im Gemüsehandel. Deine Frage lautet wie folgt:
Ich arbeite im Bereich Gemüsehandel als Straßenverkäufer. Ich kaufe die Ware auf einem Markt, der ca. vierzig Kilometer von mir entfernt liegt. Manchmal finde ich Mängel in der Ware…Nun ist es gängige Praxis, dass der Besitzer des Kommissionsgeschäfts, also der dallāl, wegen dieser Mängel einen Teil vom Warenpreis abzieht.Würde ich die Ware am selben Tag zurückbringen, dann würden die Transportkosten vielleicht mehr ausmachen als die Ware selbst. Ist es uns nun verboten, diesen Abzug bzw. diese Preisreduktion, die wir verlangen, anzunehmen? (Ende des Zitats)
Als Antwort ist zu sagen, dass diese Angelegenheit im Buch „Das Wirtschaftssystem im Islam“ im Kapitel „Der Betrug im Handel“ auf Seite 303 (deutsche Ausgabe) dargelegt wurde. Dort heißt es:
(...) Und dem Muslim ist es nicht erlaubt, bei der Ware oder beim Zahlungsmittel zu betrügen. Vielmehr muss er den in der Ware beinhalteten Mangel bzw. die im Zahlungsmittel beinhaltete Fälschung offenlegen. Er darf bei der Ware nicht schwindeln, damit sie Absatz findet oder um einen höheren Preis verkauft wird. Auch darf er das Geld nicht fälschen, damit es als Zahlungsmittel für die Ware angenommen wird. Denn der Gesandte (s) hat all das in definitiver Weise verboten.So berichtet ibn Māğa von ʿUqba ibn ʿĀmir, dass der Prophet (s) sprach:
«المسلم أخو المسلم، ولا يحل لمسلم باع من أخيه بيعاً فيه عيب إلاّ بيّنه له»
Der Muslim ist des Muslims Bruder. Einem Muslim ist es nicht gestattet, seinem Bruder eine Ware zu verkaufen, die einen Mangel hat, ohne dass er ihm diesen darlegt. Auch berichtet al-Buḫārī von Ḥakīm ibn Ḥizām, dass der Gesandte Allahs (s) sprach:
«البيّعان بالخيار ما لم يتفرقا، فإن صدقا وبينا بورك لهما في بيعهما، وإن كتما وكذبا محقت بركة بيعهما»
Käufer und Verkäufer haben die Wahl, solange sie nicht auseinandergehen. Wenn sie ehrlich sind und offenlegen, wird ihnen ihr Kauf gesegnet. Wenn sie aber verheimlichen und lügen, wird der Segen ihres Kaufs vernichtet.Auch sagte der Gesandte (s):
«ليس منا من غش»
Wer betrügt, der gehört nicht zu uns.Bei ibn Māğa und Abū Dāwūd über den Weg Abū Hurairas tradiert.Wer etwas durch Betrug oder Fälschung erwirbt, dem gehört es nicht, weil dies nicht zu den erlaubten Erwerbsmethoden für Eigentum zählt. Vielmehr zählt es zu den verbotenen Methoden des Eigentumserwerbs. Es handelt sich um verbotenes Unrechtsvermögen, dessen Erwerb untersagt ist (māl suḥt).So sprach der Gesandte (s):
«لا يدخل الجنة لحم نبت من سحت، النار أولى به»
Kein Fleisch tritt ins Paradies ein, das aus Verbotenem keimte. Das Feuer hat mehr Anspruch darauf.Bei Aḥmad über den Weg von Ğabir ibn ʿAbdillāh tradiert.Findet Betrug statt, sei es bei der Ware oder beim Zahlungsmittel, hat der Betrogene die Wahl: Entweder er macht den Vertrag rückgängig oder er lässt ihn gelten. Eine andere Option hat er nicht.Wenn der Käufer die mangelhafte bzw. gefälschte Ware gegen den Erhalt des Differenzbetrages zwischen einwandfreier und mangelhafter Ware (arš) behalten will, so steht es ihm nicht zu, denn der Gesandte (s) gewährte ihm diesen nicht, sondern stellte ihm nur zwei Optionen zur Wahl:
«إن شاء أمسك، وإن شاء ردها»
Entweder behält er sie oder er gibt sie zurück.Bei al-Buḫārī über den Weg von Abū Huraira tradiert.
Demzufolge gilt: Wenn du einen Mangel bei der Ware nach deren Kauf feststellst, so hast du die Wahl: Entweder retournierst du sie dem Verkäufer und bekommst das Geld, das du dafür bezahlt hast, zurück oder du nimmst sie an. Es ist dir jedoch nicht gestattet, sie anzunehmen und dafür einen arš zu erhalten, also den Differenzbetrag zwischen ihrem Preis mit dem Mangel und ihrem Preis ohne diesen. Der Umstand, dass du weit entfernt bist vom Markt, an dem du die Ware gekauft hast, hat auf den Rechtsspruch keinen Einfluss. Denn wie aus dem Hadith hervorgeht, stehen dir nur zwei Optionen offen:
«إن شاء أمسك، وإن شاء ردها»
Entweder behält er sie oder er gibt sie zurück. Bei al-Buḫārī über den Weg von Abū Huraira tradiert.
Euer Bruder ʿAṭāʾ ibn Ḫalīl Abū ar-Rašta